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Aktuell im LSVS

24.01.2018

„Wir leben von Emotionen und großer Leidenschaft“


Heinrich Popow zählt zu den bekanntesten deutschen Para-Sportlern. Foto: Ralf Kuckuck / DBS.

Karriereende nach 18 Jahren Leistungssport mit Heimspiel: Heinrich Popow erlebt bei der Para Leichtathletik-EM in Berlin seinen letzten großen Wettkampf.

Heinrich Popow zählt zu den bekanntesten deutschen Para-Sportlern. Der 34-Jährige wurde Paralympics-Sieger über 100 Meter in London 2012 sowie im Weitsprung in Rio 2016 und ist im Weitsprung Weltrekordhalter in der Startklasse der Oberschenkelamputierten. Bei den Para Leichtathletik-Europameisterschaften in Berlin beendet er mit einem Heimspiel seine herausragende Karriere. Zusätzliche Popularität erlangte Popow auch als Teilnehmer der RTL-Tanzshow „Let’s Dance“.

Heinrich Popow, wie steht es um die Gefühlslage mit Blick auf den Abschluss Ihrer Karriere?

Ich freue mich riesig auf die Europameisterschaften und habe richtig Bock darauf. Ich werde mit höchster Motivation an den Start gehen und will zum Abschluss noch einmal Top-Leistungen bringen. Das ist mein Anspruch. Ich möchte dort kein Trauerspiel abliefern, sondern werde mich professionell und bestmöglich vorbereiten, um alles raushauen zu können.

Was überwiegt: Wehmut oder Vorfreude auf die Zeit nach der aktiven Karriere?

Natürlich wird es ein lachendes und ein weinendes Auge geben. Ich bin seit 18 Jahren Leistungssportler, der Para-Sport ist mein Leben. Daher ist die Gefühlslage gemischt. Ich bin vorbereitet auf die Zeit danach, freue mich auch darauf, doch noch lasse ich diese Gedanken nicht richtig an mich heran. Zunächst möchte ich in Berlin einen tollen Wettkampf abliefern. Die Karriere mit einer EM zu Hause beenden zu können, ist eine einmalige Geschichte.

Bei der WM in London waren Sie verletzungsbedingt nur Zuschauer, doch die Kulisse war hervorragend. Was hoffen Sie für die EM in Berlin?

London war eine WM und keine EM, auch abgesehen davon kann man es kaum vergleichen. Die Begeisterung für den Para-Sport ist in Großbritannien nicht zuletzt durch die Paralympics in London 2012 größer als in Deutschland. Ich hoffe dennoch auf einen würdigen Rahmen und auf viele Menschen, die sich unseren Sport im Stadion live anschauen. Für uns bedeutet das Wertschätzung und Motivation zugleich. Ich werde jedenfalls viele Leute nach Berlin einladen, die mich während meiner Karriere begleitet haben.

Sie sind ein Gesicht der Deutschen Paralympischen Mannschaft. Was macht den Para-Sport aus?

Wir leben von Emotionen und einer großen Leidenschaft, die man einfach erleben muss. Der Para-Sport hat starke Persönlichkeiten und Geschichten zu bieten, da geht es noch um viel mehr als ausschließlich um die sportliche Leistung. Wir verkörpern Lebensfreude. Es geht eine Kraft davon aus, die der olympische Sport durch die vielen Nebenkriegsschauplätze leider verloren hat. Das sollen in Berlin möglichst viele Menschen mitbekommen.

18 Jahre Leistungssport: Was war Ihr persönliches Highlight?

Natürlich die beiden Goldmedaillen bei den Paralympics und die Weltrekorde, aber ebenso die schwierigen Phasen auf dem Weg zu den Erfolgen, die ich meistern musste. Diese Höhen und vor allem auch Tiefen haben mich stärker gemacht, denn ich habe immer wieder für Dinge kämpfen müssen. Sportlich habe ich alles erreicht, doch der Sport hat mir für mein Privatleben noch viel mehr gegeben als Medaillen und Rekorde. Ich bin sehr stolz auf meine Karriere mit allen Siegen und Fehlern, die mich zu der Person gemacht haben, die ich heute bin.

Was macht Heinrich Popow nach der Karriere als Leistungssportler?

Ich möchte mich weiter um den Nachwuchs kümmern, das ist eine spannende Aufgabe. Ich bin schon jetzt in der ganzen Welt unterwegs als Botschafter für das Projekt „Running Clinics“ des Medizintechnik-Unternehmens Ottobock, bei dem ich Menschen nach einer Amputation an den Sport heranführen möchte. Dieses Projekt ist mein Baby. Die Begegnungen mit den Menschen und die Emotionen geben mir unheimlich viel. 

Viel Popularität haben Sie auch durch die Teilnahme an der RTL-Show „Let’s Dance“ erlangt.

Ich werde in Deutschland und im Ausland dadurch sehr viel häufiger erkannt als vorher. Das ist einerseits schön, aber auch etwas schade, denn es zeigt, dass der Para-Sport leider eher noch eine Nische ist. In so einer Show kann man einem viel größeren Publikum zeigen, wozu Menschen mit Behinderung in der Lage sind. Es war daher wirklich eine tolle Erfahrung. Doch ich möchte gerne als Sportler in Erinnerung bleiben – und nicht als Tänzer.

Was nehmen Sie sich für den Abschluss in Berlin vor?

Volles Rohr geben und alle in Grund und Boden laufen und springen. Es gibt nur einen Athleten, der mich bezwingen darf: das ist mein junger Teamkollege Léon Schäfer, der bestimmt in meine Fußstapfen treten wird. Alle anderen werde ich nicht vorbeilassen.

Top-Leistungen und Aufmerksamkeit für den Para-Sport

Es geht um Medaillen und Weltrekorde – und darum, die Faszination Para-Sport in Deutschland einer möglichst großen Öffentlichkeit zu präsentieren. In der Sportmetropole Berlin finden vom 20. bis 26. August 2018 die Para Leichtathletik-Europameisterschaften statt. Acht Tage nach Abschluss der EM der Sportlerinnen und Sportler ohne Behinderung ist es das zweite Highlight in der Hauptstadt innerhalb kurzer Zeit – und erst die zweite große internationale Veranstaltung der Para-Leichtathleten in Deutschland nach der WM 1994, die ebenfalls in Berlin stattfand.

Im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark werden 1350 Teilnehmende erwartet, darunter 650 Athletinnen und Athleten aus rund 45 Nationen, 300 Offizielle und 400 Volunteers. Für die deutsche Mannschaft wollen vor allem die amtierenden Paralympics-Sieger und Weltmeister wie Irmgard Bensusan, Sebastian Dietz, Johannes Floors, Niko Kappel, Birgit Kober, Frederike Koleiski, Heinrich Popow, Markus Rehm und Daniel Scheil beim Heimspiel in der Hauptstadt um Edelmetall und Titel kämpfen. Die Ausrichter vom Behinderten- und Rehabilitations-Sportverband Berlin werden alles daran setzen, den Sportlerinnen und Sportlern eine würdige Bühne für Top-Leistungen zu bieten.

Finanzielle Unterstützung gibt es vom Berliner Senat sowie vom Bundesministerium des Innern. Die Sportmetropole Berlin investiert darüber hinaus, auch mit Blick auf die Barrierefreiheit, in die veranstaltungsbezogene Ertüchtigung des Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportparks. Weiterhin fördert der Senat mit dem Projekt „Laufen.Springen.Werfen.Berlin“ ein vielfältiges Rahmenprogramm, welches den Berlinerinnen und Berlinern mit zahlreichen, teilweise inklusiven, Sportangeboten beide Leichtathletik-Veranstaltungen im Sommer 2018 näher bringen wird.

Parallel zur EM in Berlin finden in Hamburg vom 16. bis 26. August die Rollstuhlbasketball-Weltmeisterschaften statt. So wird der August 2018 zum Para-Super-Sommer mit zwei hochkarätigen Veranstaltungen, die für möglichst viel Aufmerksamkeit für den Behindertensport in Deutschland sorgen sollen.