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16.10.2015

Projektorientierung als Chance für die Vereinsmitarbeit

(c) LSB NRW | Fotos: Andrea Bowinkelmann

An vielen Stellen wird die Bereitschaft zur Mitarbeit in Vereinen beklagt, bis hin zur Nicht-Besetzung von Wahlämtern und der Gefahr einer Vereinsauflösung mangels Vorstand.

Der Sportentwicklungsbericht zeigt ebenso regelmäßig das Problem des Mitarbeitermangels. Da wo es früher fast selbstverständlich war, das Menschen sich in ihrem Verein auch engagierten, ist dies heute mehr ein Glücksfall. Der Stellenwert von Vereinen und die Einstellungen und zeitlichen Möglichkeiten der Menschen haben sich massiv verändert. 

Eine immer wieder anklingende Empfehlung ist, die Aufgaben und Mitarbeitsmöglichkeiten in kleinere Einheiten aufzuteilen - Projektorientierung ist das Zauberwort. Zentrale Argumente sind also die Konzentration auf ein Thema und der überschaubare Zeitrahmen. Diese Organisationsform kann helfen, sie verändert aber auch die Arbeit innerhalb des Sportvereins.
 

Ausgangspunkt: Projektarbeit im Sportverein

Projektarbeit ist eigentlich ein alter Hut aber sehr aktuell. Es bietet die Chance, mit begrenztem Einsatz u. a. an menschlicher Zeit sehr zielorientiert einzelne Themen zu einem Ergebnis zu bringen. Ein Projekt zeichnet sich durch
- die klare Zielsetzung,
- eine überschaubare Projektgruppe aus fachkundigen und interessierten Mitgliedern,
- einen Projektleiter als Koordinator und zentralen Ansprechpartner,
- einen klaren zeitlichen Rahmen,
- eine transparente Organisation der Arbeitsschritte,
- eine finanzielle Budgetierung und
- eine systematische Planung der Arbeitsschritte
aus.

Die Empfehlung lautet nun, mehr Aufgaben in Sportvereinen Projekten zu bearbeiten. Damit werden kleinere Arbeitseinheiten und ein überschaubarer zeitlicher Rahmen der Beteiligung ermöglicht. Auf diesem Wege sollen Mitstreiter gewonnen werden, die v. a. bei Wahlämtern oder längerfristigen Engagements abwinken oder erst einmal eine überschaubare Probephase von Mitarbeit erleben möchten. Zudem ermöglicht eine solche Projektarbeit die stärkere Konzentration auf einzelne Themen.

So sollen nun verschiedene Aufgaben parallel oder zeitversetzt gleichzeitig als Projekte laufen, z. B. die Überarbeitung der Vereinshomepage, die Erarbeitung einer Vereinschronik und der Aufbau eines Fördervereins. Jede Projektgruppe organisiert ihre Arbeit selbst. Daraus ergeben sich auch die grundsätzlichen Anforderungen für die Vereinsführung, die sich zwischen Im-Blick-Halten der Gesamtentwicklung des Vereins und Loslassen in Bezug auf die Arbeiten der Projektgruppe bewegt. Es muss ein grundsätzliches Vertrauen in die Leistungsfähigkeit jeder Projektgruppe da sein, schließlich gibt man dieses Thema „aus der Hand“ und die Projektgruppenmitglieder sollen ja auch gerade ihre Expertise zur Bearbeitung des entsprechenden Themas einbringen. Signale des Misstrauens, wie überraschende „mal schauen, wie weit die Projektgruppe ist“ oder Bevormundung sind störend. Damit verliert die Projektarbeit einen wichtigen Teil ihres Reizes.
 

Mehrprojekt-Arbeit im Verein

Sollen nun mehrere Aufgaben gleichzeitig in Projekten bearbeitet werden, muss dies sorgfältig koordiniert werden, der Verein insgesamt soll ja profitieren. Folgende Anforderungen ergeben sich:

- Rahmengebung für die Einzelprojekte, wie vorhin benannt (Zielsetzung, Zeitplan, Budgetierung) mit Blick für die Gesamt-Projektlandschaft im Verein.

- Kommunikation zwischen Projektgruppen und Vereinsführung ist das A und O. Z. B. wird je Projekt eine Zeitleiste mit Terminen abgeklärt („Meilensteine“), zu denen ein kurzer Projektbericht in der Vorstandssitzung zu geben ist. Weiterhin ist es sinnvoll, für jedes Projekt einen direkten Ansprechpartner im Vorstand zu benennen. Dies verteilt die Last der Projektbetreuung und in der Vorstandssitzung können Neuigkeiten direkt eingebracht werden.

- Koordination der Projektarbeiten im Hinblick auf Schnittstellen, also inhaltliche Berührungspunkte. Wenn sich entsprechend dem Beispiel eine Gruppe mit der Homepage beschäftigt, ist es sinnvoll, wenn sich diese schon frühzeitig mit den Projekten zur Vereinschronik und zum Förderverein abstimmt, ob und in welcher Art und Weise diese auch auf der Homepage berücksichtigt werden müssen. Diese Aufgabe ist aus der Perspektive der Vereinsführung anzustoßen, bei der alle Projektfäden zusammenlaufen.
Ebenfalls zu den Koordinationsaufgaben gehört die aufmerksame Verfolgung der Projektarbeiten, um Doppelarbeiten zu vermeiden bzw. die Notwendigkeit der wechselseitigen Abstimmung zu hinterfragen. 

Diese Aufgaben sind grundlegend und machen die entsprechende Projektkoordination aus. Wichtig ist, dass die Projektleiter auf die Arbeit im Sinne des Vereins und die Einhaltung der Budgets eingeschworen werden. Über eventuell sinnvolle Nach-Budgetierungen ist sachlich zu verhandeln.

Schwierig wird es, wenn die Projektgruppen über Gebühr finanziell klein gehalten werden. Es geht nicht um Riesenbudgets aber um eine Planung des finanziellen Rahmens mit Augenmaß. Auch wenn ein Verein meist keine großen Sprünge machen kann, eine Projektarbeit mit absehbar zu kleinem Budget hat keinen besonderen Begeisterungscharakter.
  

Kritische Punkte der Multiprojektarbeit

Ein grundlegender Punkt ist das Selbstverständnis des Vereinsvorstandes, schließlich müssen Aufgaben an autonom agierende Gruppen vergeben werden. Eigene Ideen kommen dann vielleicht nicht zum Zuge und es braucht die Selbstverständlichkeit Vertrauen in die Projektarbeit zu investieren. 

Weitere Probleme können sein: 

Verselbstständigung der Projektgruppe
Die Projektgruppe hält sich nicht an die ursprüngliche Projektzielsetzung sondern orientiert sich - vielleicht sogar begründet - in eine abweichende Richtung. Signale können das Ausbleiben von Informationen über den Projektfortschritt sein oder sehr vage formulierte Angaben. In diesem Fall ist durch den Ansprechpartner des Vorstandes sofort zu intervenieren und die Projektausrichtung zu klären. Erscheinen die Abweichungen von der Projektzielsetzung plausibel, sind die Konsequenzen im Vorstand zu besprechen und im Rahmen der Projektkoordination zu bewerten. Ggf. kann dies auch zu einer Veränderung der Projektlaufzeit oder zu einem Aussetzen des Projektes führen, wenn gravierender Mehrbedarf an Ressourcen oder Abstimmungsbedarf mit anderen Projekten notwendig wird.

Konkurrenz / Neid um Projektmittel
Es kann passieren, dass zwischen einzelnen Projektgruppen ein Wettbewerb aufkommt, wer das vermeintlich wichtigere Projekt bearbeitet. Dies kann z. B. an Projektressourcen (Mitarbeitern, Finanzen, Aufmerksamkeit des Vorstandes) festgemacht werden. Hier ist der Vorstand als koordinierende Instanz gefordert die Bedeutung aller Projekte im Hinblick auf die Verbesserung der Vereinsarbeit einzuordnen.

Konflikte in einer Projektgruppe
In der Regel muss der Projektleiter dafür Sorge tragen, dass seine Gruppe gut zusammenarbeitet. Wird jedoch der Projektleiter selbst das Ziel von Kritik, so ist der Vorstand als Mediator gefragt, in der Regel muss der Projektansprechpartner des Vorstandes dann die Ursachenanalyse betreiben und mit der Projektgruppe einen Weg für die weitere Arbeit finden. 

Diese Punkte dürfen aber kein Argument sein, Projektarbeit abzulehnen. Sie bietet eine reelle Chance auf die gute Bewältigung wichtiger Vereinsaufgaben.
  

Projektende - Lerneffekte nutzen

Mit der Durchführung von Projekten ergeben sich auch Erfahrungen. Zunächst ist es wichtig, zum Ende der Projektarbeit einen offiziellen Schlusspunkt zu setzen. Der Dank durch den Vorstand ist das eine, die Form der Ergebnispräsentation das andere. 

Darüber hinaus ist es wichtig, gesammelte Erfahrungen für die folgenden Projekte zu sichern. Der Vorstandsansprechpartner sollte deshalb mit der Projektgruppe eine Abschlussbesprechung durchführen, in der gesammelt wird, was gut gelaufen ist und wo Verbesserungsmöglichkeiten für die Projektarbeit zu sehen sind.

Autor: Prof. Dr. Ronald Wadsack, Salzgitter